Die menschliche Komplexität – Warum wir einander nie ganz verstehen werden und warum das gut so ist

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Wir alle kennen es: Missverständnisse, unterschiedliche Perspektiven, das Gefühl, nicht richtig verstanden zu werden. Aber warum ist das so? Der Mensch ist ein unglaublich komplexes Wesen – geformt durch Erfahrungen, Gedankenmuster, innerliche Meinungstrassen und individuelle Wahrnehmungen. Und je älter wir werden, desto mehr prasselt auf uns ein. Es kommt nicht nur eine Schippe, sondern eher ganze Wagenladungen an Komplexität hinzu.

Neulich hatte ich einen interessanten Gedanken dazu: Wir Menschen sind wie Kunstwerke. Unsere Identität entsteht nicht nur durch uns selbst, sondern auch durch die Interpretationen anderer. Durch die Wahrnehmung beginnen wir bereits Labels, Bewertungen und Annahmen zu verteilen, bewusst oder unbewusst. Und grundsätzlich ist das auch gut, weil wir erstmal „einsortieren“ um uns zu orientieren.
In der spirituellen Blase wird gerne davon gesprochen das man nicht bewerten soll, bewertungsfrei sein sollte. Aber was ist wenn wir das brauchen? Was ist wenn es wichtig ist um erstmal komplexreduzierter einen Menschen zu betrachten?

Die Oberfläche und die Tiefe der Menschen

Natürlich sehen wir zunächst nur das Oberflächliche an einem Menschen: sein Aussehen, sein Verhalten, seine Stimme, seine Körpersprache. Vielleicht zeigt er auch erkennbare auffällige Emotionen – doch darunter verbergen sich unzählige Schichten aus Erfahrungen, Glaubenssätzen und unbewussten Mustern.

Das innereliche in uns, unsere Gedanken stelle mir oft wie ein Labyrinth aus Gedankenstraßen vor. Manche dieser Straßen haben wir schon so oft befahren, dass wir gar nicht mehr merken, dass es auch Ausfahrten gibt, die wir nehmen könnten. Wir reagieren auf Reize meist automatisch, weil unser Gehirn auf Energiesparen ausgelegt ist. Und das ist an manchen Stellen völlig in Ordnung, aber ich persönlich finde es auch manchmal schade das festgefahrene Annahmen usw. nicht mehr hinterfragt werden.
Und so bewegen wir uns in unseren Interpretationen, ohne uns bewusst zu machen, dass andere Menschen ihr eigenes, völlig anderes Gedankenlabyrinth haben.

„Wir Menschen sind alle Kunstwerke – einzigartig und komplex.“ Schöpferherz

Einzigartig und Komplex

Einzigartig!?

Ein Künstler hatte mal sowas ähnliches gesagt wie: „Ein Kunstwerk wird erst vollständig durch den Betrachter.“
Gilt das auch für uns Menschen? Fühlen wir uns erst dann vollständig, wenn wir von anderen gesehen, wahrgenommen oder bewertet werden – egal, ob positiv oder negativ?
Jeder Mensch sieht jeden anderen auf seine eigene Weise. Jeder interpretiert, ordnet ein, vergibt – bewusst oder unbewusst – ein Label.

Für mich ist es wichtig geworden, zu verstehen, dass solche Labels nicht endgültig sind. Natürlich stecken wir Menschen erst einmal in Schubladen, um sie greifbarer zu machen. Aber am Ende sollten wir uns immer bewusst sein, dass jeder Mensch so ist, wie er ist – aus guten Gründen. Durch Erfahrungen in der Kindheit, Jugend aber auch als Erwachsene werden wir geprägt. Alles macht etwas mit uns und wir formen daraus auch unsere Gedanken, Annahmen.
Manchmal sind diese Gründe sichtbar, manchmal bleiben sie uns verborgen.
Doch wenn wir uns nur auf unsere erste Bewertung verlassen, entgeht uns vielleicht die eigentliche Tiefe eines Menschen und auch dessen einzigartigen Potentiale, Erfahrungen, Erkenntnisse, Meinungen usw.

Neue Wege des Denkens

Wenn ein Label wie die Tür zu einem Menschen ist, dann sind unsere Gedanken, Gefühle und Glaubenssätze wie der Schlüssel dazu.
Jedes Mal, wenn wir jemanden bewerten – sei es positiv oder negativ –, sagt das nicht nur etwas über die andere Person aus, sondern auch über uns selbst. Wir können uns in solchen Situationen selbst befragen wie:
– Warum haben ich diesen Menschen diese Bewertung gegeben?
– Was habe ich für mich mit dem „Label“ abgespeichert? Und wie lange habe ich bereits diese Meinung?
– An wen oder was hat mich der Mensch errinnert um diese Bewertung zu treffen?
– Steckt mehr dahinter als das was ich sehe und interessiert es mich?
– Was hat das mit mir zutun das ich den Menschen so bewertet habe?
Was will ich an mir ggf. nicht sehen? Könnte es sein das der mensch genau das zeigt?

Es kann Mut erfordern, eigene Annahmen beiseitezulegen und sich auf neue Perspektiven einzulassen. Wir finden so einen tieferen Zugang zu uns selbst oder sogar auch zu anderen Menschen anstatt nur an der Oberfläche rumzupaddeln. Vorausgesetzt wir wollen das auch 😉

Das Geschenk der Vielfalt

Vielleicht liegt das größte Geschenk unserer menschlichen Komplexität nicht darin, einander vollständig zu verstehen, sondern darin, zu erkennen, dass jeder eine eigene, einzigartige Welt in sich trägt.

Anstatt nach absolutem Verständnis zu suchen, könnten wir neugierig bleiben – offen für die vielen Blickwinkel, die es auf uns und andere gibt.

Denn vielleicht ist es genau diese Vielfalt, die uns verbindet?!

Vielleicht hast du Lust auf weitere Fragen zum Abschluss?
– Wann hast du dich das letzte Mal selbst falsch verstanden?
– Gab es in deinem Leben bereits Menschen die du „falsch“ gelabelt hattest und dann wirklich positiv überrascht warst?
– Welche „Labels“ vergibst du sehr schnell immer wieder ohne den Menschen näher kennenzulernen?
– Wann wurdest du in deinen Augen „falsch gelabelt“ und warst alles andere als happy darüber?

Kleine Geschichte von mir: Jemand hatte mich im beruflichen Kontext als faul betitelt, ich würde nicht richtig arbeiten. Weil es an dessen Vorstellungen völlig vorbeigegangen ist. Meiner damaligen Vorgesetzten hatte ich dann gesagt: „Mir kann man viele Labels aufkleben, das ich arrogant bin, ruppig usw. aber das ich faul bin geht bei mir garnicht!“
Um das in dem Kontext nochmal von mir aus zu betrachten – die Person konnte mich damit treffen weil ich diesen „faulen“ Teil in mir selbst nicht akzeptiert habe. Und ich selbst auch andere dafür bewerte, wenn diese in meinen Augen faul sind. Spannend oder?

Hinterlasse mir gerne einen Kommentar, was der Beitrag mit dir gemacht hat.

Liebe Grüsse,
Nicole

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