Emotionale Mauern – wie wir sie überwinden können
Vielleicht hast du schon einmal gesagt oder gehört: „Mein Herz ist gebrochen.“ – weil es sich genau so anfühlt. Wir alle kennen Momente, in denen der Schmerz so groß ist, dass er körperlich spürbar wird und uns verändert.
Oft wissen wir nicht, wie wir mit solchen Gefühlen umgehen sollen – oder möchten es nicht wirklich. Stattdessen lenken wir uns ab, kämpfen innerlich dagegen an oder verdrängen die Emotionen weit weg. Vielleicht dämpfen wir sie so gut es geht. Doch die Gefühle verschwinden nicht. Sie bleiben im Hintergrund und warten darauf, wieder gespürt zu werden. So entstehen eine Art Mauern, die die ungelebten Emotionen festhalten – fast wie ein Schachspiel. Und das ist zu Beginn auch wichtig. Doch wenn diese Dauerschleifen bleiben, trennen sie uns eher von uns selbst und anderen.
Unser Körper ist ein Wunder: Er nimmt auf, verarbeitet und lässt los – ähnlich wie bei der Nahrung, die wir essen. Emotionen sind wie Wellen – sie kommen und gehen. Problematisch wird es, wenn wir unangenehme Gefühle wegsperren und damit auch andere einmauern. Dabei brauchen wir alle Gefühle, um Neues zu erfahren, Freude zu spüren und lebendig zu sein.
Für mich sind Gefühle ein essenzieller Bestandteil des inneren Klimas. Wie Wetterlagen kommen und gehen auch Emotionen. Sie sind nicht zum Aufhalten gedacht. In diesem Beitrag spreche ich in Anlehnung an das Heartwall-Konzept von Bahar und Jeffrey darüber, wie wir Mauern aufbauen und oft übersehen, sie wieder zu öffnen. Wenn wir Gefühle nicht zulassen, sperren wir uns mental und emotional selbst ein.
Unsere Schutzwand aus Emotionen
Manche Erfahrungen reißen uns auf, hinterlassen tiefe Spuren und lassen uns nicht los. Jeder geht anders damit um, und das ist in Ordnung. Entscheidend ist, wie wir langfristig damit umgehen. Viele versuchen, den Schmerz zu vergessen. Doch Gefühle sind wie Wellen im Meer – sie kommen immer wieder und können sanft auslaufen wie an einem Strand.
Um sie nicht zu spüren, bauen wir Mauern – ich nenne sie gerne Wellenbrecher. Diese bestehen aus weggesperrten Emotionen: Groll, Wut, Sorge, Scham, Gefühle von Wertlosigkeit – verbunden mit Erlebnissen, die wir nicht verarbeitet haben.
Vor kurzem führte ich ein Gespräch mit einer Person. Sie legte die Hand aufs Herz und sagte: „Hier tut es weh, ich komme nicht durch.“ Ich leitete sie durch einen kurzen Prozess, in dem sie sich vorstellte, wie die Mauer um ihr Herz aussieht: eine alte, mit Moos bewachsene Backsteinmauer. Ich finde es sehr charmant, mit solchen Bildern zu arbeiten. Blockaden in uns bekommen so ein Aussehen, einen Namen, eine Form – und wir können einen anderen Bezug zu ihnen herstellen.
Warum wir Mauern bauen – und welchen Preis wir zahlen
Wir alle erleben Enttäuschungen und Verletzungen – oft kleine, die sich summieren, manchmal einschneidende Erlebnisse wie Trennungen, Jobverluste oder Schlimmeres. Nach solchen Erfahrungen sind wir selten sofort bereit für Neues, weil wir mit dem Bruch und dem Kampf um Veränderung beschäftigt sind. Wird dieser Schmerz nicht verarbeitet, wird er zur Last, die wir weitertragen. Nur durch echtes Verarbeiten können wir lernen und verhindern, dass andere für alte Wunden „zahlen“ müssen.
Erfahrungen sind Informationen, die emotionale Last in uns hinterlassen. Wenn wir diese Belastung nicht verdauen, liegt sie schwer in uns – bewusst oder unbewusst. Und ja, es ist komplex und manchmal undurchschaubar, was wir weggesperrt haben, oft weil wir es nicht mehr spüren wollen. Doch es bleibt ein Teil in uns. Wird er nicht akzeptiert, führen wir innerlich Krieg – und oft auch nach außen.
Anfangs ist es Schutz, den wir aufbauen – wie ein Verband um eine Wunde. Dieser Schutz braucht Zeit zur Heilung. Das Problem entsteht erst bei Dauer und Unbewusstheit: der Verband bleibt, obwohl die Zeit vergangen ist und wir uns nicht mehr damit auseinandersetzen möchten. Doch das, was wir nicht verarbeiten, arbeitet weiter in uns. Das kann zu folgenden Folgen führen:
- Bindungsangst
- Innere Leere
- Gefühlsverschlossenheit gegenüber uns selbst und anderen
- Angstzustände oder Erschöpfung
- Suchttendenzen
- Blockaden bei der Selbstverwirklichung
Ich selbst habe das lange nicht verstanden und dadurch auch destruktive Muster entwickelt, die mich von meinen Zielen entfernten. Beispiele sind ungesunde Beziehungen, schmerzhafte Trennungen, Ghosting und das Gefühl, benutzt zu werden. Doch durch die Arbeit mit mir und dem Erkennen dieser emotionalen Mauern habe ich begonnen, den Blick auf mich zu richten – nicht um mich zu verurteilen, sondern um mich wieder aufzurichten.

Wenn die Mauer fällt
Mauern abzubauen öffnet Türen: Nähe, echte Beziehungen, und Entscheidungen, die vorher Angst machten. Doch auch Herausforderungen warten – ehrliche Gespräche, Abschiede und Unsicherheiten.
Wir leben in einer Zeit, in der Gefühle wieder Raum brauchen. Lange wurden sie verschwiegen oder verborgen – oft über Generationen. Krisen haben neue Mauern geschaffen, aber auch die Chance eröffnet, sie Stück für Stück fallen zu lassen. Unsere Mauern werden von äußeren Einflüssen und aufgedrängten Meinungen genährt, die wir kaum noch hinterfragen. Jetzt ist die Zeit, diese Mauern gehen zu lassen, wenn der Moment reif ist.
Veränderung kann beängstigend sein. Ich habe es selbst erlebt und sehe es bei anderen. Wenn man selbstreflektiert viele Dinge hinterfragt und beginnt, die Mauer Stück für Stück abzutragen, erkennt man sich wieder mehr. Das kann überwältigend sein. Die Magie entsteht, wenn man spürt, wie Menschen in der Umgebung sich verändern – im Positiven wie im Negativen.
Zurück ins Menschsein
Ich nenne uns gerne Fühlwesen. Doch wir leben in einer Gesellschaft, die von unterdrückten Gefühlen überfordert ist. Die vielen Mauern in uns erzeugen oft ein Labyrinth, durch das wir uns verlieren – statt auf uns selbst zuzugehen, rennen wir gegen Wände.
Das Herz wieder zu öffnen und Emotionen Raum zu geben kann unangenehm sein. Es bedeutet, sich tief dem Gefühl zu stellen. Die Schutzmechanismen verlieren ihre Wirkung – und damit auch unsere Wahrnehmung.
Doch das Ziel ist nicht, schmerzhaft stecken zu bleiben, sondern durch den Schmerz hindurch zu fühlen – lebendig, verbunden und menschlich zu sein.
Viele Menschen haben verlernt:
- Freude auszuhalten
- Trauer und Wut gesund zuzulassen
- Liebe zu empfangen ohne Angst
- Eigene Wahrheit zu fühlen und zu sprechen
- Ehrlich mit sich zu kommunizieren
- Sich selbst wertzuschätzen
- Eigene Meinung zu vertreten
- Offen und verletzlich zu sein, statt Masken zu tragen
Ich bin überzeugt, dass Menschen lernfähig sind und eine Veränderung möglich ist. Viele hinterfragen zunehmend, was sie denken und fühlen und welche Informationen sie aufnehmen.
Vielleicht schaffen wir es, die kollektive Verfremdung teilzuhaben, indem wir uns selbst besser verstehen. So können wir Veränderungen im Außen bewirken, die keine Mauern mehr brauchen.
Fragen zum Nachdenken
- Wo spürst du Mauern, die du selbst aufgebaut hast?
- Wann hast du begonnen, diese Mauern zu errichten?
- Woran erkennst du, dass du sie wieder gehen lassen kannst?
- Zu wem oder was hast du dich entfremdet?
Ich freue mich riesig, wenn du deine Gedanken in den Kommentaren teilst. Möchtest du regelmäßig exklusive, kostenfreie Post von mir? Dann trage dich gerne unten mit deiner Email ein und erhalte Impulse zu Denken, Fühlen und mehr.
Liebe Grüße,
Nicole
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