Leistungsdruck – keine Zeit für dich selbst
Verschluckt uns der Leistungsdruck?
Über 20 Jahre habe ich im Kundensupport, in der IT und der Qualitätssicherung gearbeitet. Leistung zu bringen – das kenne ich sehr gut. Ich habe erlebt, wie sich mit der Zeit mentale Filter über das eigene Empfinden legen, wenn Druck zum Dauerzustand wird. Was dann passiert? Man stumpft ab. Man vergisst, Mensch zu sein. Zwischenmenschliche Kämpfe darum, Recht zu haben, gewinnen an Bedeutung, echte Begegnungen gehen verloren. Und es schleicht sich dieses Gefühl von Rastlosigkeit ein, keine Zeit zu haben für sich.
Leistungsdruck wird zu einem dauerhaften Rauschen – das Gefühl, ständig „on Track“ sein zu müssen und zu erreichen, was wir glauben, erreichen zu müssen. Er durchzieht viele Lebensbereiche und ist eng verknüpft mit Erwartungen, die wir erfüllen möchten, mit Hilfsbereitschaft, die uns antreibt, aber auch mit Zielen, etwas zu erschaffen oder Gutes zu tun. All das sind wichtige Eigenschaften, aber oft entsteht ein Unterschied zwischen dem „Opfer“, das man bringt, und dem Gefühl, nicht wirklich gesehen zu werden. Im Gegenteil: Man wird zwar bemerkt, aber aus einer Perspektive, die nur mehr Druck, Aufgaben und Erwartungen fordert.
Ich fühlte mich in meinem Leben komprimiert – nicht nur durch den Job, sondern auch durch andere Aspekte. Ich verstand mich oft darauf, zu funktionieren, ohne viel nachzufragen oder Grenzen zu setzen. Doch innerlich wollte ich diese Beweise erneut anzweifeln, um mich irgendwie wieder gut genug zu fühlen. Also ersetzte ich Netflix und Co. durch Workshops und Coachings. Viele Tools und Methoden lernte ich selbst, und jeden Tag gewinne ich Erkenntnisse, die mich mehr zu mir bringen.
Aus diesen Erkenntnissen ist die Idee entstanden, die ich in meinem ausführlichen Blogbeitrag „Inneres Klima“ zusammengetragen habe: Wir Menschen dürfen wieder erkennen, was wir denken, fühlen und vor allem, was wir alles an Informationen zu uns nehmen und verdauen. Wir sind immer mehr wie das Klima der Erde, überhitzt und ab und an ausser Kontrolle weil wir versuchen eine Balance zu schaffen.
In diesem Beitrag möchte ein paar Gedanken zum Thema Leistungsdruck teilen und vielleicht auch Anstoss geben sich immer mehr und mehr wieder in sein „inneres Klima“ einzufinden um eine wirkliche Balance zu schaffen.
Leistungsdruck kommt von außen – Und /oder von innen.
Leistungsdruck entsteht als massives Zusammenspiel äußerer und innerer Erwartungen. Täglich bringen wir Leistung – mit jeder Handlung. Doch der Druck entwickelt sich durch viele Faktoren, die mit Glaubenssätzen gespeist werden und schlussendlich zur Überforderung führen können.
Wir verwechseln oft uns selbst mit der Schnelligkeit der Informationstechnologie. Unsere Geräte zeigen uns, wie schnell alles erreichbar ist, aber wir vergessen, dass unsere Schaffenskraft eine andere Zeitrechnung hat.
Unsere Zeitqualität fördert immer wieder das Gefühl, immer mehr machen zu müssen – dabei verlieren wir uns selbst, mit allem, was uns ausmacht, aber auch mit dem, was uns beeinflusst. Fast ungefiltert übernehmen wir äußere Erwartungen, wollen Schritt halten oder sie bedienen.
Und die Gründe und Möglichkeiten was den Leistungsdruck aufrechterhält hat echt viele Gründe.
Äußere Gründe:
- Unausgesprochene Erwartungen
- Konkurrenz und Machtspiele
- Kontrollzwang
- Angstmacherei
- Ignorieren
- Vergleichen
- Neid
Innere Gründe:
- Wunsch, es allen recht zu machen
- Angst, die Maske fallen zu lassen
- Überhöhte Selbstansprüche
- Ständiger Vergleich
- Gefühl, nicht gut genug zu sein
- Angst vor Ablehnung
- Angst, nicht verstanden zu werden
Technik und Menschlichkeit – ein Spannungsfeld
Ich bin ein großer Fan unserer technologischen Entwicklung und der vielfältigen Möglichkeiten, die sie bietet. In meiner letzten Anstellung war ich begeistert, als neue Prozesse eingeführt wurden. Doch gleichzeitig fiel mir auf, dass Menschen oft als Ressourcen betrachtet und nicht mit auf die Reise der Veränderung genommen wurden. Man erwartete, dass alle es sofort verstehen und mitmachen, ohne den Raum und die Zeit für individuelle Anpassung zu geben. Das verstehe ich bis heute nicht – und muss ich auch nicht mehr.

Leistungsdruck: Schatten- und Sonnenseiten
Leistungsdruck kann motivieren und anspornen, Großes zu schaffen. Doch wenn er allgegenwärtig wird, verwandelt er sich in ein Gefängnis. Bedürfnisse, Wünsche und das eigene Selbst werden immer mehr ausgeblendet. Fehlt die Wertschätzung – von anderen und von sich selbst –, entsteht schnell das Gefühl, nutzlos zu sein. Viele kämpfen darum, gesehen zu werden, und geraten in Dynamiken, die Energielosigkeit und sogar Krankheit fördern.
Gesunder vs. ungesunder Leistungsdruck
Gesunder Leistungsdruck bedeutet:
- Druck als Motor nutzen, nicht als Dauerzustand
- Realistische Ziele setzen und sich für Fortschritte anerkennen
- Kurze Vergleiche ziehen, aber nicht ständig mit anderen messen
- Ziele mit Zeitrahmen anlegen und den Weg dorthin feiern
- Pausen einbauen und kleine Erfolge würdigen
- Kontrollbedürfnis erkennen und bewusst lockern
- Weniger auf die Wertschätzung anderer hoffen, sondern sich selbst geben.
Hierbei können dich folgenden Fragen unterstützen.
Ungesunder Leistungsdruck bedeutet:
- Dauerhafter Kampf, sich immer beweisen zu müssen
- Eigene Grenzen übersehen
- Überladene To-do-Listen und ständige Erreichbarkeit
- Kein Ventil haben – stattdessen Ablenkung durch Netflix oder Social Media
- Versprechen machen, obwohl das Fass schon voll ist
- Dauerhaft versuchen, es allen recht zu machen
- Permanent im Außen leben und sich verlieren
Was hilft? Tipps und Reflexionsfragen
- Bewegung: Körperliche Aktivität hilft, mentale Blockaden zu lösen, die oft im Körper sitzen
- Selbstkommunikation: Beobachte mal deine Gedanken – nicht um sie zu kontrollieren, sondern um sie zu sehen und auch mal anzuzweifeln.
- Selbstwahrnehmung: Das Alltagsrauschen lässt uns Filter für unsere eigenen Gefühle festsetzen. Beginne dich wieder wahrzunehmen.
- Selbstfürsorge: Erkenne was du alles zu dir nimmst ungefiltert und ohne bewusste Entscheidung.
- Fragen dich regelmäßig:
- Will ich immer recht haben? Warum?
- Wem will ich mich beweisen?
- Warum übernehme ich zu viel?
- Muss ich wirklich jederzeit erreichbar sein?
- Passt mein Tun zu meinen persönlichen Zielen?
- Was ist mein eigenes Warum?
Leistungsdruck verbindet – und entfremdet
Leistungsdruck kann Menschen verbinden, aber auch entfremden, weil wir uns dadurch verstellen und den Zugang zu uns selbst verlieren. Verständnis füreinander wird dadurch erschwert. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Führungskräfte oft wenig Verständnis für die Leistung ihrer Mitarbeiter zeigen – selbst wenn diese klar sichtbar ist, wird selten anerkennend darüber gesprochen, stattdessen noch mehr verlangt. Aber auch andersherum entstehen solche künstlichen Ping-Pong-Spiele, bei denen Menschen vergessen werden.
Viele wissen, dass sie etwas verändern müssen, um aus dieser Komprimierung herauszukommen. Stattdessen greifen sie oft zu schnellen Lösungen, die langfristig nicht helfen und die Verbindung zu sich selbst weiter schwächen.
Zeit mit sich selbst – der größte Luxus?
Leistungsdruck ist kein neues Phänomen, doch er wird immer lauter. Unsere Welt gleicht Las Vegas: grell, voll und laut. Dabei verlieren wir das Wesentliche – Zeit mit uns selbst, Ruhe und echte Pausen.
Die ehrlichste Frage lautet:
„Ist das, wie es gerade ist, wirklich das Leben, das ich leben will?“
Wenn nicht, was wäre ein erster kleiner Schritt?
Vielleicht geht es nicht darum, beim nächsten Meeting lauter zu sein, sondern leiser. Nicht von Termin zu Termin zu hetzen, sondern fünf echte Minuten Pause zu machen. Vielleicht liegt Erfüllung an einem anderen Ort, vor dem wir uns noch nicht getrauen hinzusehen, weil es ein anderer Weg ist. Vielleicht bedeutet es, sich wieder intensiv mit sich selbst zu beschäftigen und das wirklich zuzulassen, was uns voranbringt – statt im Hier und Jetzt festzustecken.
Ich bin mittlerweile schon lange auf meinem eigenen Weg. Auch ich setze mich selbst oft unter Druck, etwas zu leisten oder zu erschaffen. Aber ich weiß, wie wichtig es ist, den Moment zu genießen und mich selbst wieder zu spüren. Leistungsdruck darf da sein – aber er soll nicht bestimmen, wer du bist.
Leistungsdruck komprimiert dich – ohne Raum für dich selbst.
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Liebe Grüsse
Nicole
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